Faktencheck

US-Verbot für Taurus-Lieferung an Ukraine? Russischer Propaganda-Blog verbreitet unbelegte Behauptung

Ob Deutschland die Ukraine mit Taurus-Marschflugkörpern unterstützen soll, wurde immer wieder diskutiert. Online heißt es, die USA hätten Deutschland Ende April eine Lieferung verboten. Doch hinter der Behauptung, die auch von AfD-Politikern verbreitet wurde, steckt ein russischer Propaganda-Blog – Belege gibt es dafür keine.

von Max Bernhard

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Laut dem russischen Propaganda-Blog Military Review sollen die USA Deutschland verboten haben, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Dafür gibt es keine Belege. (Symbolfoto: Koreanisches Verteidigungsministerium / Zuma Press / Picture Alliance)
Behauptung
Die USA hätten Deutschland die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die ukrainischen Streitkräfte verboten.
Bewertung
Unbelegt. Für die Behauptung finden sich keine vertrauenswürdigen Quellen. Aufgestellt wurde sie von dem russischen Propaganda-Blog Military Review – auf der Webseite werden immer wieder Falschinformationen veröffentlicht.

Immer wieder wurde über mögliche Taurus-Lieferungen an die Ukraine diskutiert. Vor der Bundestagswahl im Februar 2025 hatte sich der jetzige Bundeskanzler Friedrich Merz dafür ausgesprochen. Im Mai erklärte er dann aber, vorerst seien keine Taurus-Lieferungen an die Ukraine geplant. Laut Medienberichten will sich die neue Bundesregierung nicht mehr öffentlich zu möglichen Waffenlieferungen äußern. 

Vor Merz’ Kehrtwende verbreitete sich in Sozialen Netzwerken eine Behauptung zu Taurus: Die USA hätten Deutschland die Lieferung der Marschflugkörpern an die ukrainischen Streitkräfte verboten, hieß es Ende April in Beiträgen auf X, Telegram und Tiktok. Auch der damalige außenpolitische Sprecher der AfD, Matthias Moosdorf, sowie andere Profile der Rechtsaußen-Partei, teilten die angebliche Nachricht. Die kursierte indes auch international, zum Beispiel auf Englisch und Russisch

Unsere Recherche zeigt jedoch: Es gibt dafür keine Belege. Quelle der Behauptung ist ein russischer Blog, der immer wieder Falschbehauptungen und Propaganda verbreitet. Von AfD-Politiker Moosdorf erhielten wir keine Antwort nicht auf unsere Frage, ob ihm weitere Quellen bekannt seien – sein Beitrag auf X ist weiterhin online. 

X-Beitrag von AfD-Politiker Matthias Moosdorf verlinkt auf den Artikel des russischen Propaganda-Blogs Topwar.ru
AfD-Politiker Matthias Moosdorf teilte die Behauptung über das angebliche Taurus-Lieferverbot auf X. Sie stammt vom russischen Blog Military Review (Военное обозрение), der immer wieder mit Desinformationen auffällt. (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Behauptung zu US-Verbot von Taurus-Lieferung stammt offenbar von russischem Propaganda-Blog 

Viele der Beiträge mit der Behauptung verlinken auf einen Artikel des russischen Blogs Military Review oder zeigen Screenshots davon. Andere vertrauenswürdige Quellen für die Behauptung konnten wir nicht finden. 

In dem Artikel vom 23. April wird behauptet, zwei US-Unternehmen hätten Deutschland mittels des US-Außenministeriums über ein Lieferverbot informiert, da die Taurus-Raketen deren kritischen Komponenten enthielten. 

Der Blog ist für seine Nähe zum Kreml und für Desinformation bekannt – er verbreitet in sieben Sprachen Kreml-freundliche Inhalte unter der Web-Adresse Topwar.ru. Laut der Webseite „Media Bias/Fact Check“ ist Military Review eine „pro-russische Website für Regierungspropaganda, die Fehlinformationen veröffentlicht und von der staatlichen Zensur eingeschränkt wird“. Voice of America berichtete bereits 2018, die Seite sei Teil eines Programms des russischen Verteidigungsministeriums. Das Impressum der Webseiten zeigt: Hinter Military Review steckt VO-Media, ein kleines Unternehmen mit Sitz im russischen Ischewsk, das neben Topwar auch andere Webseiten betreibt. Laut der Finanzanalyse-Seite „Ready Ratios“ soll die Firma zwischen 2020 und 2021 auch finanzielle Unterstützung von der russischen Regierung erhalten haben. 

Taurus werden von deutsch-schwedischer Firma hergestellt – ob mit US-Komponenten ist unklar 

Hergestellt wird der Marschflugkörper von der deutsch-schwedischen Firma Taurus Systems, die der deutschen MBDA Deutschland GmbH und dem schwedischen Saab Dynamics gehört. Er kann Ziele treffen, die hunderte Kilometer entfernt sind, und auch gut gesicherte Strukturen, wie zum Beispiel Bunker, zerstören.

Military Review behauptet, die USA wären in der Lage, Taurus-Lieferungen von Deutschland an die Ukraine zu stoppen, weil darin US-amerikanische Teile verbaut seien. Laut zwei älteren Berichten verwendet Taurus Triebwerke eines US-Herstellers. Nachfragen dazu wollten uns weder MBDA, die Bundesregierung noch das Außenministerium der Vereinigten Staaten beantworten. 

USA beliefern Ukraine selbst mit Taurus-ähnlichen Marschflugkörpern 

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Würden für die Marschflugkörper tatsächlich US-Triebwerke verwendet, könnten die USA nach eigenem Recht die Lieferung blockieren. Militärische Triebwerke fallen unter das US-Regelwerk International Traffic in Arms Regulations (ITAR). Für deren Export braucht es also eine Genehmigung der zuständigen US-Behörde, auch wenn das Objekt in einem anderen Land hergestellt wurde und nur Komponenten enthält, die ITAR-pflichtig sind. So hinderten die USA im Jahr 2021 beispielsweise die Türkei daran, Hubschrauber, die ein US-Triebwerk enthielten, an Pakistan zu verkaufen. 

Es ist aber in diesem Fall unklar ist, wieso die USA überhaupt, wie behauptet, die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern stoppen sollten. Im November 2024 hatte die US-Regierung zuletzt selbst ähnliche Systeme an die Ukraine geliefert. Im Mai 2025 erlaubte die US-Regierung Deutschland laut einem Bericht der New York Times außerdem, Langstrecken- und Luftabwehrraketen aus amerikanischer Herstellung an die Ukraine zu liefern. 

Redigatur: Sarah Thust, Paulina Thom

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